Ross Rosenberg

»Es entsteht ein Gefühl, als habe man seinen Seelenverwandten gefunden. Es ist das vermeintlich perfekte Matching«

Ross, was für Anziehungskräfte bestehen zwischen Menschen mit ausgeprägt narzisstischen Zügen und ihren Partnerinnen und Partnern?

 Das kann wie echte „Chemie“ sein. Die Emotionen explodieren. Es entsteht ein Gefühl, als habe man seinen Seelenverwandten gefunden. Es ist das vermeintlich perfekte Matching. Warum? Die unbewussten Bedürfnisse des einen Partners passen perfekt zu den unbewussten Bedürfnissen des anderen. Es gibt ein starkes Gefühl der Vertrautheit, das Gefühl sich schon ewig zu kennen und einander komplett zu verstehen, sogar, wenn man sich erst vor ein paar Stunden zum ersten Mal getroffen hat. Man kann sich diesen Effekt in etwa so vorstellen: Ein Frau betritt einen Raum, in dem sich zwei attraktive Männer aufhalten. Aber nur der eine ist ein Narzisst. Eine co-abhängige Frau wird sich sofort von dem narzisstischen Mann angezogen fühlen. Denn er erinnert sie unbewusst an die Liebe, die sie bei ihren Eltern kennengelernt, die ihr zutiefst vertraut ist. 

Umgekehrt erklärt es auch, warum eine co-abhängige Frau bei einem Date auf einen Mann treffen kann, der nett und attraktiv ist und alles hat, wonach sie immer gesucht hat – und trotzdem verliebt sie sich nicht! Weil die Chemie nicht da ist. Ist sie jedoch da, läuft folgende Reaktion ab: Narzissten sind nur auf sich selbst fokussiert, Co-Abhängige nur auf den anderen. Sie sehen den Narzissten als arme, verletzte Seele, die Liebe braucht. Sie sehen ihn nicht als das, was er wirklich ist, als einen emotionalen Manipulator. Der Co-Abhängige sucht jemanden, um den er sich kümmern kann, das ist in seiner emotionalen DNA verankert. Und der Narzisst sucht jemanden, der sich um ihn kümmert. Zusammen fühlen sich der Co-Abhängige und der emotionale Manipulator vollständig. Sie fühlen sich ganz. Ohne Therapie kann dieses System ein Leben lang funktionieren.

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